Inventur
Die Inventur ist ein Schlüsselprozess für jedes Unternehmen, um eine genaue und effiziente Bestandsführung zu gewährleisten. Die Inventur ist nicht nur eine gesetzliche Notwendigkeit, sondern auch ein fundamentales Instrument der Betriebsführung, das Einblicke in die Vermögenswerte eines Unternehmens bietet, finanzielle Transparenz schafft und die Grundlage für strategische Entscheidungen bildet. Um eine optimale Inventur durchführen zu können gibt es verschiedene Inventurmethoden, die passend zum Unternehmen gewählt werden können.
Inhaltsübersicht
- Was ist die Inventur?
- Unterschiede zwischen Inventur, Inventar und Bilanz
- Warum ist die Inventur wichtig?
- Rechtliche Grundlagen und Pflichten
- Ablauf der Inventur
- Arten der Inventur
- Die Inventurverfahren
- Welche Herausforderungen gibt es bei der Inventur?
- Inventur in der Modebranche
- Inventur in der Lebensmittelbranche
- Inventur für den Ersatzteilhandel
- Fazit
- FAQ
Was ist Inventur?
Die Inventur ist vor allem ein rechtlich vorgeschriebener Prozess, bei dem das Unternehmen sämtlich Vermögensgegenstände erfasst und bewertet. Die Erfassung und Bewertung erfolgen sowohl quantitativ als auch qualitativ. Ziel der Inventur ist es, eine detaillierte und exakte Bestandsaufnahme aller materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände zu erlangen, die zum Inventar zählen. Darüber hinaus beinhaltet die Inventur auch die Erfassung von Verbindlichkeiten, um eine vollständige Sicht auf die finanzielle Situation der Organisation zu gewährleisten.
Während der Inventur müssen alle Vermögensgegenstände erfassten werden, dass schließt unter anderem Waren, Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigerzeugnisse. Unter den Begriff "Vermögensgegenstand" fallen neben den physischen Gegenständen, im Juristischen Sachen genannt, auch Rechte, wie beispielsweise Lizenzen, Patente oder Markenrechte. Aber auch Anlagevermögen, Schulden, Eigenkapital sowie weitere Vermögensbestandteile fallen unter den Begriff des Vermögensgegenstände. Laut des Gabler Wirtschaftslexikons gibt es vier zentrale Merkmale eines Vermögensgegenstands, die für die Inventur relevant sind:
- Nutzungspotenzial: Als Vermögensgegenstände zählen nur Güter, die einen wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen darstellen.
- Selbstständige Bewertung: Jeder Vermögensgegenstand muss unabhängig bewertet werden können.
- Betriebsvermögen: Die Vermögensgegenstände müssen Teil des Betriebsvermögens des Unternehmens sein.
- Verfügungsmacht: Die Vermögensgegenstände müssen in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen. Verfügungsmacht bedeutet im Kontext von Inventur und Bilanzierung, dass Gegenstände im wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmens stehen müssen. Das heißt, alle Güter, die entweder in dem tatsächlichen Eigentum des Unternehmens oder über deren Besitz, Nutzen, Lasten oder Gefahr das Unternehmen verfügt, zählen zum wirtschaftlichen Eigentum. Ein Beispiel für wirtschaftliches Eigentum sind geleaste Maschine, die nach Abgabenordnung in der Inventur und der Bilanz aufgelistet werden müssen.
Um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Inventurergebnisse zu gewährleisten, bedarf es einer intensiven Vorbereitung, Planung und Durchführung des Inventurprozesses. Die Vorbereitung und Planung umfassen die Festlegung geeigneter Methoden zur Bestandserfassung und Bestandsbewertung, die Auswahl des Zeitpunkts, der Frequenz der Inventur sowie die Auswahl von Hilfsmitteln und Technologien zur Datenerfassung und -verarbeitung. Unternehmen müssen dabei auch gesetzliche Richtlinien und Vorschriften berücksichtigen, die je nach Branche variieren können.
Letztendlich dient die Inventur nicht nur der Erfüllung rechtlicher Anforderungen, sondern auch als wertvolles Instrument für das interne Controlling und das Management. Durch die konsequente Inventur der eigenen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen, ihre Ressourcen optimal einsetzen und ihre Strategien zur Erreichung ihrer Geschäftsziele effektiver planen und umsetzen.
Während die Inventur der physische Prozess der Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, ist das Inventar das detaillierte Verzeichnis der Inventur. Das Inventar bietet eine umfassende Übersicht über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und dient als Basis für die Erstellung der Bilanz. Im Gegensatz zur Bilanz, die eher eine zusammengefasste Darstellung bietet, enthält das Inventar detaillierte Informationen über die einzelnen Posten.
Die Bilanz ist die finanzielle Darstellung des Inventars. In der Bilanz werden die Vermögenswerte, Schulden und das Eigenkapital eines Unternehmens zu einem Stichtag gegenüberstellt. Die Bilanz bietet dementsprechend eine Momentaufnahme der finanziellen Lage eines Unternehmens und ist Teil des Jahresabschlusses. Sie basiert auf den Informationen, die durch die Inventur gesammelt und im Inventar detailliert aufgelistet wurden, fasst diese Informationen jedoch in aggregierter Form zusammen.
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Das Handelsgesetzbuch schreibt gemäß § 240 HGB vor, dass zusätzlich zur Bilanz eine detaillierte Aufstellung sämtlicher Vermögensbestände und Schulden zu Beginn des Geschäftsjahres erstellt werden muss. Die gesetzlich vorgeschriebene Inventur soll dem Schutz der Gläubiger und der Selbstkontrolle dienen. Die Inventur stellt durch die vom Tagesgeschäft unabhängig durchgeführte Bestandsaufnahme auch ein wichtiges Kontrollinstrument für die Buchführung dar.
Neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften liegt die Durchführung der Inventur im eigenen Interesse des Unternehmens. Durch eine Inventur können die Buchbestände mit den tatsächlichen Beständen abgeglichen und so Fehlmengen, also Differenzen zwischen Buchbestand und tatsächlichem Bestand, möglichst schnell aufgedeckt werden.
Fehlmengen können einerseits ein Indiz für eine unsaubere Bestandsführungen sein, treten sie jedoch regelmäßiger auf, können sie auch auf Schwund oder Diebstahl hinweisen. Außerdem können sich Fehlmengen negativ auf Betriebsprozesse auswirken, indem sie schneller zu Produktionsengpässen oder Lieferverzug führen.
Die Bestandsaufnahme von Guthaben, Schulden, Verbindlichkeiten und Forderungen kann Unternehmen dabei unterstützen, ihre finanzielle Situation möglichst exakt einschätzen zu können. So können Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt und möglichst verhindert werden. Die Inventur fungiert in solchen Fällen dann wie eine Art Frühwarnsystem.
Bei der Inventur handelt es sich nicht nur um eine gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme,
sie unterstützt Unternehmer auch bei der Selbstkontrolle und der Bestandsführung.
Die Inventur ist aus Sicht des Handelsrechts eine Bestandaufnahme aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten. Im Inventar werden die Art und die Menge der Bestände zusammengefasst. Gemäß § 240 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) muss jeder Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes jegliches Vermögen, beispielsweise Grundstücke, Forderungen und Geldbestände, und alle Schulden exakt zu verzeichnen und den jeweiligen Wert anzugeben.
Gemäß § 240 Abs. 2 HGB muss jedes Unternehmen zum Ende jeden Geschäftsjahres ein Inventar erstellen. Der Bilanzstichtag und der Schluss des Geschäftsjahres sind im Fall der Inventur als identisch zu betrachten. In der Regel fällt der Bilanzstichtag auf den 31. Dezember oder den 30. Juni. Abweichende Geschäftsjahre sind jedoch auch möglich. In der Regel erlaubt die Aufsichtsbehörde eine Inventurfrist von zehn Tagen vor und nach dem Bilanzstichtag. Jedoch sind bei einer Inventur innerhalb dieser zehn Tage die eintretenden Bestandsveränderungen ordnungsgemäß zu berücksichtigen.
Zusätzlich zu den handelsrechtlichen Vorschriften greifen die steuerrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (AO). In §§ 140 und 141 AO sind Kaufleute im Rahmen der ordnungsgemäßen Buchführung dazu verpflichtet, eine Inventur für die Steuerbilanz durchzuführen.
Neben den gesetzlichen Regelungen gibt es in Deutschland noch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB). Hierbei handelt es sich um grundlegende Regeln zur Führung der Handelsbücher, die sowohl im Handelsgesetzbuch (HGB) als auch durch die Rechtsprechung und die kaufmännische Praxis definiert werden. Die zentralen Grundsätze der GoB bezüglich der Inventur sind:
- Richtigkeit der Bestandsaufnahme: Die Bestandsaufnahme muss alle in § 246 Abs.1 HGB ausgewiesenen Posten enthalten. Dazu zählen die oben genannten Vermögensgegenstände, aber Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge.
- Bilanzwahrheit: Die Bestandaufnahme muss vollständig sein.
- Bilanz- und Ansatzstetigkeit der Inventur: Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB müssen die gewählte Bewertungsmethode und der gewählte Bewertungsansatz beibehalten werden.
- Eindeutigkeit: Die Einzelerfassung muss aus der Bestandsaufnahme eindeutig hervorgehen.
- Bilanzklarheit: Die Bestandsaufnahme muss nachprüfbar.
Die Inventur wird in der Regel nach Betriebsschluss durchgeführt, um eine Störung des Betriebsablaufs eines Unternehmens möglichst zu vermeiden. Der Zeitaufwand und das Personal, das für eine Inventur benötigt wird, hängen jedoch stark von der Größe und dem Umfang des Warenbestandes des Unternehmens ab. So kann es bei mittelständischen und großen Unternehmen durchaus vorkommen, dass der Betrieb für einen Tag oder mehrere Tage geschlossen werden muss. Bei größeren Handelsunternehmen ist es daher inzwischen üblich, dass die Inventur monatlich erfolgt (permanente Inventur). Zum einen, um Schließungen zu vermeiden, und zum anderen, damit die Zentrale stets einen Überblick über den Ist-Bestand der Waren in den einzelnen Filialen hat.
Wird jedoch keine permanente Inventur sondern eine Form der Vollinventur durchgeführt, so muss die Inventur schrittweise geplant werden. Vor allem bei einer Vollinventur zum Bilanzstichtag stellt eine detaillierte Planung einen reibungslosen Ablauf sicher und Unternehmen können unnötige Schließungen vermeiden.
Schritt 1 Terminierung
Zunächst wird ein Termin festgelegt. In der Regel findet die Inventur zum Bilanzstichtag am Ende des Geschäftsjahres statt. Wird eine stückweise Inventur, beispielsweise monatlich oder quartalsweise, durchgeführt, kann dies die Hauptinventur am Ende des Jahres weniger aufwendiger werden lassen.
Schritt 2: Zeitplan erstellen
Damit jeder Mitarbeiter weiß, wann er wo gebraucht wird, ist ein organisierter Zeitplan notwendig. So muss im Vorfeld festgelegt werden, wie lange die Inventur braucht und ob der laufende Betrieb unterbrochen werden soll oder ob die Bestandsaufnahme parallel durchgeführt werden soll. Zu beachten ist, dass sich während der Inventur keine Bestandsveränderungen auftreten dürfen.
Schritt 3: Personalplanung
Die Inventur wird in der Regel in Zweierteams durchgeführt, wobei eine Person zählt und die andere Person die Liste führt. Dementsprechend muss das Personal eingeplant und eingeteilt werden. Außerdem ist ein Inventurleiter, der die Bestandsaufnahmen überwacht und stichprobenartig die Bestandslisten überprüft notwendig.
Schritt 4: Vorbereitung der Inventur
Im Vorfeld sollten einige organisatorische Details geklärt und vorbereitet werden, damit die Inventur ohne Verzögerungen am geplanten Tag starten kann.
Zunächst sollte das Aufnahmeverfahren, zum Beispiel wiegen oder zählen, für jede Ware vorab festgelegt werden.
Das Lager, die Verkaufsflächen und alle weiteren Räumlichkeiten, in denen die Inventur stattfindet, sollten aufgeräumt werden. Die Räumlichkeiten sollten auch mit ausreichend Arbeitsmaterialien, wie Taschenrechner, Notizblöcke, Stiften, Wagen oder Zollstöcken sowie inventurspezifischen Materialien, also Inventurlisten, Inventurprotokollen und Inventurformularen, ausgestattet werden.
Gleiche oder ähnliche Produkte sollten nach Warengruppen sortiert werden. Außerdem sollte überprüft werden, ob alle Produkte korrekt gekennzeichnet oder beschriftet wurden. Defekte oder verdorbene Waren sollten separat gelagert werden. Ebenso sollten fremde Vorräte, beispielsweise bereits verkaufte Ware oder Kommissionsware, an einem separaten Ort gelagert werden.
Schritt 5: Durchführung der Inventur
Bei der Durchführung der Inventur ist zu beachten, dass der Soll-Bestand nie vor der Inventur an das Inventurpersonal kommuniziert wird, da dies das Ergebnis verfälschen kann. Für die Durchführung sind verschiedene Aspekte zu beachten:
- Eine Person des Zweierteams nennt ihrem Teammitglied den Artikel, die Artikelnummer, Alter, Menge und Preis der Ware. Der Schriftführer notiert diese Angaben in einer Inventurliste und kennzeichnet die Waren, die bereits in die Liste aufgenommen wurden. Wurde ein Warenbereich vollständig in die Inventurliste aufgenommen, wird die Kennzeichnung wieder entfernt.
- Es wird immer von links nach rechts und von oben nach unten gezählt.
- Defekte oder verdorbene Waren muss separat gelistet werden.
- Wird die Bestandsaufnahme durch Messen oder Wiegen durchgeführt, wird entweder konsequent auf- oder abgerundet.
- Auf den Inventurlisten müssen die Namen der entsprechenden Listenführer, der Name des Kontrolleurs und das Datum der Bestandsaufnahme notiert werden.
Schritt 6: Abschluss der Inventur
Wenn durch die Inventur Differenzen zwischen Soll- und Ist-Bestand auftreten, müssen diese entsprechend verbucht werden. Dies sichert die korrekte Durchführung der Bilanz. Anschließend müssen alle Inventurdokumente ordentlich abgeheftet werden. Die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Inventurunterlagen beträgt zehn Jahre.
Körperliche Inventur
Bei der körperlichen Inventur handelt es sich um eine körperliche Bestandsaufnahme von materiellen Vermögensgegenständen. Der Bestand wird durch Zählen, Wiegen oder Messen ermittelt. Eine Schätzung ist in dem Fall, dass eine exakte Aufnahme nicht möglich ist, erlaubt.
Buchinventur
Immaterielle Vermögensgegenstände, wie Vermögen, Schulden, Forderungen, Patente, etc., werden im Rahmen der Buchinventur erfasst. Hierbei handelt es sich um eine reine wertmäßige Bestandsaufnahme.
Anlageninventur
Die Anlageninventur wird bei beweglichen, materiellen Vermögensgegenständen durchgeführt. Zu den beweglichen, materiellen Vermögensgegenständen zählen Maschinen, Fuhrparks, sowie Geschäfts- oder Betriebsausstattung. Bei der Anlageninventur muss jeder Vermögensgegenstand einzeln in einem Anlagenverzeichnis mit einer entsprechenden Anlagenkarte vermerkt sein.
Die Inventurverfahren
Neben den Inventurarten gibt es auch noch verschiedene Verfahren der Inventur. Die Auswahl des Inventurverfahrens ist keine Entscheidung, die pauschal getroffen werden kann. Vielmehr muss sie entsprechend der spezifischen Anforderungen, wie die Größe des Warenbestandes, die Branche und die Ziele der Bestandsführung, ausgewählt werden. Die Wahl der passenden Methode ist entscheidend für die Effizienz des Inventurprozesses und die Genauigkeit der Bestandsdaten, die für die Bilanz und die betriebliche Entscheidungsfindung von Bedeutung sind. Dabei hat jede Inventurmethode ihre eigenen Vorteile und Herausforderungen. Hier sind die gängigsten Inventurmethoden:
Vollinventur zum Stichtag (Stichtagsinventur)
Die Stichtagsinventur ist die klassische Inventurmethode. Bei der klassische Voll-Inventur an einem Stichtag wird der Bestand einmal pro Jahr innerhalb eines kurzen Zeitraums gezählt. Dies macht die Stichtagsinventur extrem zeitaufwendig und es wird viel Personal, oftmals auch zusätzliches, betriebsfremdes Personal, benötigt. Außerdem kann es häufiger zu Produktionsstopps oder Lagerschließungen kommen. Die Stichtagsinventur ist durch den hohen Zählaufwand fehleranfälliger. Man spricht von einer Stichtagsinventur, wenn die Inventur 10 Tage vor oder nach dem Bilanzstichtag (letzter Tag des Geschäftsjahres) durchgeführt wird. Durch moderne Technologie, wie Warenwirtschafts- und Lagerverwaltungssysteme, lassen sich Zählvorgänge effizienter gestalten und Fehler reduzieren.
Verlegte Inventur
Die verlegte Inventur ist die am meist verbreitete Inventurform im deutschsprachigen Raum und wird meist von Unternehmen mit großen Beständen genutzt. Dabei kann die Vollinventur in Bezug auf den Bilanzstichtag drei Monate vor- oder zwei Monate nachverlegt werden. Die Organisation der Inventur und die Durchführung sind jedoch identisch zur Stichtagsinventur, weshalb es sich ebenfalls um eine Vollinventurart handelt. Die Voraussetzung für eine verlegte Inventur ist eine vollständige Fortschreibung bzw. Rückschreibung des Bestandes zum Bilanzstichtag. Ein Vorteil der verlegten Inventur ist, dass sie den Unternehmen mehr Flexibilität bei der Festlegung des Inventurdatums gibt. Jedoch bestehen auch bei der verlegten Inventur die gleichen Herausforderungen wie bei der Stichtagsinventur. Außerdem kann es bei der Fort- bzw. Rückschreibung zu Hochrechnungsfehlern kommen. Die Fortschreibungen können buchmäßig (Finanzbuchhaltung) erfolgen.
Permanente Inventur
Im Gegensatz zur Vollinventur erfolgt die permanente Inventur, auch fortlaufende Inventur genannt, nicht an einem bestimmten Stichtag, sondern wird fortlaufend über das gesamte Geschäftsjahr verteilt. Die Grundlage hierfür bildet eine lückenlose Bestandsführung, die mithilfe von ERP-Systemen, Warenwirtschaftssystemen oder Lagerverwaltungssystemen erfolgen kann. Bis zum Bilanzstichtag muss der Bestand vollständig erfasst werden. Obwohl der Zählaufwand insgesamt gleichbleibt, führt die Aufteilung des Zählprozesses in mehrere Phasen dazu, dass sowohl Fehler als auch der Einsatz von Personal reduziert werden können.
Wesentliche Voraussetzungen für eine permanente Inventur sind:
- Strenge Anforderungen an die Bestandsfortschreibung: Bei einer permanenten Inventur müssen alle Zu- und Abgänge einzeln nach Tag, Art und Menge dokumentiert werden. Dies muss belegmäßig nachweisbar sein.
- Vergleich zwischen Buchbestand und körperlicher Bestandsaufnahme: Mindestens einmal im Geschäftsjahr muss ein Vergleich zwischen Buchbestand und körperlicher Bestandsaufnahme für jeden einzelnen Bestand erfolgen. Dabei muss die Bestandsaufnahme aller Bestände jedoch nicht gleichzeitig erfolgen.
- Unkontrollierbare Abgänge: Die fortlaufende Inventur ist nicht auf Bestände anwendbar, bei denen die Abgänge aufgrund von Verdunsten, Zerbrechlichkeit, Schwund oder ähnlichem nicht kontrollierbar sind. Ausgenommen sind die Fälle, bei denen die Abgänge aufgrund von Erfahrungssätzen annährend zutreffend berücksichtigt werden.
Ein wesentlicher Vorteil einer permanenten Inventur ist die Integration des Zählprozesses in den täglichen Betriebsablauf, wodurch sich der Zählaufwand gleichmäßig verteilt und der Stressfaktor signifikant verringert werden kann. Dies minimiert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern.
Den Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber. Obwohl die körperlichen Bestandsaufnahmen über das Jahr verteilt werden, unterscheidet sich der Aufwand einer permanenten Inventur nur geringfügig von dem einer Stichtagsinventur. Der umfangreiche Bedarf an Zeit, Personal, finanziellen Mittel sowie die organisatorische Belastung bleibt bestehen, nur verteilt sich dieser über das Geschäftsjahr. Darüber hinaus kann der hohe organisatorische Anspruch an die laufende Bestandserfassung zu Komplikationen führen und die täglichen Geschäftsabläufe stören oder beeinträchtigen. Es wird bei der Permanentinventur in der Regel eine moderate Lagerentwicklung gefordert und mögliche Wertesprünge sind zu vermeiden.
Stichprobeninventur
Die Stichprobeninventur ermöglicht es, lediglich einen Ausschnitt des Gesamtbestandes zu erfassen, was die körperliche Inventur wesentlich vereinfacht. Durch den Einsatz von statistischen Methoden, ist es möglich die gleiche Aussage zu erhalten, wie wenn eine klassische Vollinventur durchgeführt werden würden. Die Vereinfachung kann eine Reduzierung des Zählaufwands bis zu 99,9 % bedeuten.
Diese Art der Inventur ist durch das HGB (bzw. das UGB in Österreich) zugelassen und stützt sich auf mathematisch-statistische Verfahren. Bei diesem Verfahren ermittelt eine entsprechende Software die zu zählenden Stichproben, indem sie auf den gesamten Bestand hochgerechnet und anschließend dessen Qualität bewertet, um so die Zuverlässigkeit der Bestandsangaben zu verifizieren. Das Ziel ist der Nachweis, dass die Informationszuverlässigkeit des bestandsführenden Systems so genau ist, dass eine Vollinventur keine exakteren Ergebnisse über das zu bilanzierende Umlaufvermögen hervorbringen würde. Abhängig vom Umfang und der Art des Lagerbestandes lässt sich der Zählaufwand mittels Stichprobeninventur um bis zu 99,9 % reduzieren. Zudem lassen sich Produktionsstopps und Lagerschließungen vermeiden und es wird weniger Personal und Zeit benötigt.
Auch für die Stichprobeninventur gelten bestimmte Voraussetzungen:
- Bestandszuverlässige Lagerbuchführung: Ähnlich wie bei der permanenten Inventur müssen Zu- und Abgänge im Warenbestand zeit- und mengengenau verbucht werden, sodass eine Fortschreibung bzw. Rückrechnung auf den Bilanzstichtag verlässlich möglich ist.
- Einsatz mathematisch-statistisch anerkannter Schätzverfahren: Zu den gängigsten Verfahren zählen die freie Mittelwertschätzung, gebunden Schätzverfahren (Differenzen-, Verhältnis- oder Regressionsschätzung) sowie die Testverfahren von Sequentialtests.
Im Vergleich zur einer Stichtagsinventur oder verlegten Inventur bietet die Stichprobeninventur zahlreiche Vorteile. Die Vollzählung aller Lagerpositionen durch viele Personen kann häufiger zu Fehlern führen, nicht zuletzt, weil für die Zählung Mitarbeiter eingesetzt werden müssen, die nicht mit dem Lager und seinen Gegebenheiten vertraut sind. Der bei der Vollinventur typische Stressfaktor und Zeitdruck begünstigen zusätzlich, dass es zu Differenzen kommen kann.
Lesen Sie mehr zur Stichprobeninventur in unserem Glossarbeitrag.
Die Durchführung einer Inventur ist oft ein sehr arbeitsintensiver Prozess, bei dem verschiedene Herausforderungen auftreten können.
Eine zentrale Herausforderung ist der Zeit-, Personal- und Kostenaufwand. Die physische Bestandaufnahme kann vor allem für Unternehmen mit großen Lagerbeständen oder mehreren Standorten sehr zeitintensiv sein. Vor allem bei die Vollinventur sind temporärer Schließung der Lager sowie Produktionsstopps in der Regel notwendig. Eine weitere große Herausforderung ist das hohe Fehlerrisiko bei der Zählung, der Eingabe und der Übertragung der Ergebnisse. Fehler bei der Erfassung der Bestände können zu ungenauen Inventurergebnissen führen, die im Nachgang die Bilanz des Unternehmens verfälschen kann. Vor allem die Vollinventur, sowohl die Stichtagsinventur als auch die verlegte Inventur, erfordern eine hohes Maß an Organisation und Planung. Dazu gehören u.a. die Festlegung des Zeitpunktes, die Planung des Personals und die Bereitstellung aller notwendigen Hilfsmittel.
Weitere Herausforderungen können sein:
- Korrekte Bewertung der Bestände
- Integration in die Buchhaltung
- Technologische Herausforderungen
- Datenintegrität
- Rechtliche und steuerliche Compliance
- Veränderung im Warenbestand
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, setzen Unternehmen zunehmend auf den Einsatz der Stichprobeninventur oder der permanenten Inventur, zusammen mit dem Einsatz moderner Technologien wie Barcode-Scanner, RFID-Technologie und Inventurmanagement-Software.
In der Modebranche, in der Effizienz, eine hohe Produktvielfalt und schnelle Anpassungen an Marktveränderungen entscheidend sind, gestaltet sich die Inventur oft schwer. Die Vollinventur erfordert oft längerer Lagerschließungen und bindet viele Mitarbeiter, was besonders bei Unternehmen mit einer großen Produktvielfalt zu erheblichen logistischen und zeitlichen Herausforderungen führen kann. Hier bietet sich die Stichprobeninventur als mögliche Lösung an. Durch die Zählung der Stichproben und die Hochrechnungsverfahren kann die benötigte Zeit und der Personalaufwand signifikant verringert werden. So kann die Inventur effizient und mit minimalem Aufwand durchgeführt werden.
Inventur in der Lebensmittelbranche
Verfallsdaten, Mindesthaltbarkeitsdaten, Lebensmittelsicherheitsvorschriften – in der Lebensmittelbranche gilt es neben den allgemeinen Vorschriften der Inventur noch viele weitere Faktoren zu beachten. Die Inventur gibt hier nicht nur einen Überblick über den Warenbestand, sondern ermöglicht es auch, Engpässe rechtzeitig zu erkennen und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Wie auch in anderen Branchen erfordert die Vollinventur einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand sowie oft die Schließung des Betriebs, Ladens oder der Produktion. Eine Alternative ist die permanente Inventur, welche beispielsweise in der Gastronomie oder im Lebensmitteleinzelhandel angewendet wird. Die Durchführung der permanenten Inventur hilft diesen Unternehmen, ihre Bestände effizient zu managen, die Frische ihrer Produkte zu sichern und letztendlich das Vertrauen der Verbraucher in ihre Marken zu stärken. Die Stichprobeninventur ist eine weitere mögliche Inventurart, welche in der Lebensmittelbranche den Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand erheblich senken kann. So kann mit Hochrechnungsverfahren oder einem Sequentialtest die Anzahl der zu zählenden Lagerpositionen und somit die Zählzeit deutlich verringert werden.
Für den Ersatzteilhandel stellt die jährliche Inventur eine enorme Herausforderung dar, weil eine große Vielfalt und Anzahl an Lagerpositionen gezählt werden müssen. Die Vollinventur erfordert daher in der Regel mehrere Tage und den Einsatz zahlreicher Mitarbeiter, oft einschließlich externem Aushilfspersonal, was zu einer Unterbrechung des Geschäftsbetriebes und Wochenendarbeit führt. Abhilfe können hier alternative Inventurverfahren, wie die Stichprobeninventur, schaffen. Die Stichprobeninventur bietet Ersatzteilhändlern die Möglichkeit, nur eine repräsentative Auswahl der Lagerbestände zu zählen, wodurch der Zeit- und Personalaufwand erheblich verringert werden kann. Zudem können automatisierte Prozesse die Genauigkeit der Inventurergebnisse verbessern und die Fehleranfälligkeit verringern.
Custom Chrome Europe, Europas führender, auf den Harley-Davidson-Aftermarket spezialisierter Großhändler, konnte mit der Stichprobeninventur seinen Inventuraufwand um 99 % reduzieren. Mehr erfahren Sie hier.
Die Durchführung einer Inventur ist ein wichtiger Prozess für Unternehmen in allen Branchen. Sie dient neben der Erfüllung gesetzlicher und steuerlicher Anforderungen auch der interne Geschäftssteuerung, dem Finanzmanagement und der strategischen Planung. Die Herausforderungen, die mit der Inventur einhergehen, sind vielfältig und reichen von der organisatorischen Planung und dem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand über die Genauigkeit der Datenerfassung bis hin zur Bewertung der Bestände und der Integration in die Buchhaltung. Alternative Inventurmethoden, wie die Stichprobeninventur, bieten Lösungen, um die Inventur schneller und effizienter durchzuführen. Technologien, wie Barcodes und RFID, gemeinsam mit einer Inventursoftware, sorgen für eine Integration in die Buchhaltung und sichern die Datenintegrität.
Allgemein ermöglicht eine effektive Inventur Unternehmen eine bessere Kontrolle über die Bestände, optimiert die Lagerhaltung und kann darüber hinaus zu einer verbesserten Kundenzufriedenheit beitragen.
Was ist der Zweck der Inventur?
Bei einer Inventur wird der aktuelle Bestand aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Unternehmens erfasst. Durch die Inventur kann die Richtigkeit der Buchführung überprüft, der tatsächliche Wert des Unternehmens ermittelt und eventuelle Bestandsdifferenzen aufgedeckt werden.
Welche Inventurverfahren gibt es?
Es gibt verschiedene gesetzlich zugelassene Inventurverfahren. Die klassische Inventurmethode ist die Vollinventur zum Bilanzstichtag, bei der der Bestand innerhalb von 10 Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag zusammengefasst wird. Eine weitere Methode der Vollinventur ist die verlegte Inventur. Hierbei kann die Inventur drei Monate vor oder zwei Monate nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden. Alternative Inventurverfahren sind die permanente Inventur und die Stichprobeninventur. Bei der permanenten Inventur wird der Bestand laufend aktualisiert, während bei der Stichprobeninventur nur ein Teil des Bestandes erfasst und hochgerechnet wird.
Was muss bei der Durchführung der Inventur beachtet werden?
Bei der Inventur gilt es verschiedene Aspekte zu beachten:
- Genaue Dokumentation aller Bestände
- Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften
- Schulung des Personals für die Inventur
- Sicherstellung der körperlichen Bestandsaufnahme aller physischen Vermögensgegenstände
- Sorgfältige Planung der Vollinventur für eine reibungslose und korrekte Durchführung