Inventur zum Frühstück
Würth Industrie Service hat den Inventuraufwand für rund 280.000 Lagerplätze in drei Schritten drastisch reduziert und setzt dafür seit 2014 auf eine ausgereifte und zertifizierte Stichprabeninventur-Lösung von Stat Control.
Publiziert August/September 2017
Zeitschrift materialfluss
„Ein halber Tag reicht völlig“. Für diese Einschätzung des Inventuraufwands wäre René Seidt noch vor wenigen Jahren als Fantast eingestuft wurden. Kein Wunder, denn der Lagerleiter der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG am Standort Bad Mergentheim verantwortet 280.000 Lagerplätze. Auf dem rund 122 Hektar großen Gelände befinden sich zwei Hochregallager, ein Shuttle-Lager und sechs manuelle Lager.
“Einen Buchungsstopp können wir uns hier gar nicht leisten.”
Rene Seidt,
Lagerleiter Würth Industrie Service
Inventur in vier Stunden
Seit 2014 dauert die jährliche Inventur hier tatsächlich nur noch vier Stunden, wobei diese Arbeit von nur drei Mitarbeitern erledigt wird – an einem normalen Werktag im laufenden Betrieb. “Einen Buchungsstopp können wir uns hier gar nicht leisten“, bekräftigt Seidt, der schon mehrere Inventur-Arten praktiziert hat. Zwischen 1999 und 2003 habe man in Bad Mergentheim noch an zwei bis vier Wochenenden mit bis zu 200 Mitarbeitern Vollzählungen durchgeführt. Diese extrem zeit- und personalaufwändige Methode wurde 2004 durch eine permanente Inventur ersetzt, die nach der damaligen SAP-Umstellung möglich geworden war. Bei dieser in §241 (2) HGB definierten Variante muss mindestens einmal im Jahr eine körperliche Inventur durchgeführt werden, bei dem Soll- und Ist-Bestand verglichen werden. Doch spätestens im Jahr 2009 war die Zahl der Lagerpositionen derart angestiegen, dass diese Voraussetzung nicht mehr garantiert werden konnte.
Testat wird vorausgesetzt
“Wir wollten damals auf keinen Fall zur Vollzählung zurückkehren und fanden in der Stichprobeninventur eine viel bessere Lösung“, erinnert sich die stellvertretende Leiterin der Finanzabteilung Eva Borkenhagen. Die Stichprobeninventur wird gemäß §241 (1) HGB bereits seit den 1970er Jahren als Teilerhebung anerkannt. Demnach ist keine körperliche Inventur notwendig, wenn der Warenbestand nach Art, Menge und Wert anhand von Stichproben mit mathematisch-statistischen Verfahren ermittelt werden kann. Dafür entwickelte die IT-Abteilung von Würth Industrie Service zunächst eine eigene Software. Aus der Gesamtmenge der Artikel ermittelte das Programm durch ein Hochrechenverfahren eine tägliche Stichprobe mit rund 25 Lager-positionen, die im Laufe der Schicht von einem Mitarbeiter mit Hilfe von Papierlisten gezählt wurde. “Der Zeitaufwand für diese Art der Inventur lag bei drei bis vier Stunden pro Tag, was gegenüber der früheren Vollzählung eine wesentliche Verbesserung darstellte“, berichtet Eva Borkenhagen. Auf Drängen der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young wurde die selbst entwickelte Stichprobeninventur-Software 2014 wieder abgelöst. “Unserer Lösung fehlte das Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, das nur mit Aufwand zu beschaffen gewesen wäre“, erklärt Christian Heckmann. Der Wirtschaftsinformatiker ist bei Würth Industrie Service unter anderem mit der Entwicklung des eigenen Lagerverwaltungssystems KMS (Kanban Management System) beschäftigt.
Gut erreichbar
“Auf der Suche nach einem testierten Stichprobeninventur-System haben wir vier Anbieter verglichen, von denen sich die Stat Control GmbH schnell als Favorit herausstellte“, sagt Eva Borkenhagen. Das Hamburger Software- und Beratungshaus überzeugte durch mehrere Aspekte: “Wir hatten hier von Anfang an unsere festen Ansprechpartner, die wir bei Fragen jederzeit auf dem Handy erreichen können’; so Heckmann. Ein weiterer Vorteil war die hohe fachliche Kompetenz, denn das 1991 gegründete Unternehmen konzentriert sich ausschließlich auf statistische Verfahren für Inventuren und Bestandskontrollen. Vor diesem Hintergrund konnte Stat Control Lösungen für sämtliche Methoden der Stichprobeninventur anbieten, zu denen die Hochrechenverfahren und der Sequenzialtest gehören. Der Sequenzialtest eignet sich für Lagerbereiche mit hoher Bestandssicherheit und gehört zur “Königsklasse” der zulässigen Inventurverfahren: Mit dieser Methode reichen im Idealfall 30 Stichproben, um ein ganzes Lager zu inventieren. “Wir wollten unbedingt prüfen, ob der Sequenzialtest für uns geeignet ist“, betont Lagerleiter Seidt, der die Software “Staseq” installieren ließ. Gleich beim ersten Test stellte sich heraus, dass die Bestandsqualität hoch genug ist.
Ergebnis im Toleranzbereich
Der Vorgang gliedert sich in vier Schritte: Zunächst wird der aktuelle Lagerbestand aus KMS in Staseq übertragen. Jetzt wird die Menge der Positionen ausgewählt, wobei sich Würth Industrie Service bisher stets für den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestwert von 30 entschied – je nach Bestandsqualität empfehlen sich jedoch höhere Werte. Auf dieser Basis errechnet Staseq die Zählliste. Anschließend werden die zu zählenden Positionen in KMS für weitere Buchungen gesperrt. Hier zeigte sich ein weiterer Vorteil von Stat Control, deren Lösungen auch im laufenden Betrieb eingesetzt werden können. Jetzt kann der eigentliche Zählvorgang starten. Treten bei einer der 30 Positionen Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Menge auf, ermittelt Staseq eine weitere Zählliste mit zusätzlichen Lagerpositionen. Stimmen bei dieser Nachzählung die Bestände überein, liegt das Ergebnis im Toleranzbereich und die Inventur kann abgeschlossen werden.
Weitere Beschleunigung
Fazit: Mit dem Sequenzialtest von Stat Control hat Würth Industrie Service den Stichprobeninventuraufwand von vormals 700 auf nur noch vier Stunden gesenkt. Das entspricht einer Einsparung von mehr als 99 Prozent. Doch damit nicht genug: Beim nächsten Mal will Eva Borkenhagen noch weitere Zeit einsparen und die ursprüngliche Zählmenge auf 32 Positionen erhöhen. Denn dann bliebe die Inventur auch bei einer Zähldifferenz im gesetzlichen Toleranzbereich und die Nachzählung kann entfallen.