Die jährliche Inventur ist für Unternehmen nach § 240 HGB gesetzlich vorgeschrieben. Der Standard ist die Vollinventur, bei der die Bestandsaufnahme körperlich an einem festgelegten Bilanzstichtag erfolgt. Das Verfahren kostet Zeit und bindet wertvolle Personalressourcen. Darüber hinaus gibt es beim händischen Erfassen der Bestände zahlreiche Fehlerquellen. Für Unternehmen ist die Vollinventur daher kein wertschöpfender Prozess. In diesem Blogbeitrag lernen Sie gesetzlich zulässige Verfahren zur Inventurvereinfachung kennen, mit denen sich der Zählaufwand und die Fehlerquellen minimieren lassen.
Welcher Betrieb kennt diese Situation nicht? Die jährliche Inventur steht an. Im Rahmen der externen Rechnungslegung ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Im Klartext: Es führt kein Weg um sie herum. Für die Lagerinventur bedeutet das im klassischen Sinne: Einmal im Jahr muss der komplette Warenbestand durch Inaugenscheinnahme von einem Menschen erfasst werden. Und das ist aufwendig: Eine Vollinventur zum Bilanzstichtag ist mit Zeitdruck und Stress verbunden. Häufig sind Zählfehler die Folge. Und die führen oftmals zu Bestandsdifferenzen, die ohne die körperliche Vollinventur gar nicht erst entstanden wären und zusätzlichen Aufwand verursachen. Um die Inventur zu vereinfachen, gibt es folgende, gesetzlich zulässige Möglichkeiten:
Die vor- und nachverlegte Vollinventur ist das meistgenutzte Vereinfachungsverfahren in der DACH-Region. Sie erlaubt es dem Betrieb, die Inventur bis zu drei Monate vor beziehungsweise bis zu zwei Monate nach dem eigentlichen Bilanzstichtag durchzuführen. Die Idee dahinter ist es, die Inventur beispielsweise auf Ruhephasen zu verschieben, in denen bessere Bedingungen herrschen. Dieses Verfahren setzt die vollständige Fort- oder Rückschreibung des Bestands zum Bilanzstichtag voraus.
Die vor- und nachverlegte Vollinventur bietet eine gewisse Flexibilität in der Terminierung. Trotzdem ist sie mit den gleichen Nachteilen verbunden, wie eine körperliche Vollinventur zum Bilanzstichtag. In der Durchführung und beim Aufwand schafft sie kein Optimierungspotenzial. Außerdem erhöhen sich die Kosten und das Fehlerpotenzial durch das notwendige Fortschreiben und Rückrechnen der Bestände.
Eine permanente Vollinventur verteilt die vollständige Bestandsaufnahme über das Jahr. Zählungen werden etappenweise in Tranchen oder separat zum Tagesgeschäft von abgestellten Zählteams durchgeführt. Die Bestandsfortschreibung mit einem ERP-, Warenwirtschafts- oder Lagerverwaltungssystem ist eine wichtige Voraussetzung für diese Inventurvereinfachung. Wie bei den anderen Verfahren gilt auch hier das Vollständigkeitsprinzip. Dieses erfordert die vollständige Zählung des Warenbestands bis zum Bilanzstichtag. Hat ein Unternehmen dies versäumt, muss es den unterjährig nicht erfassten Bestand in einer konzentrierten Aktion nachzählen.
Im Vergleich zu einer vor- oder nachverlegten Vollinventur schafft die permanente Vollinventur eine Erleichterung: Die körperliche Bestandsaufnahme des Lagerbestands kann auf das Wirtschaftsjahr verteilt und der Zählprozesses in das Tagesgeschäft integriert werden. Weiterhin reduziert der geringere Stressfaktor erfahrungsgemäß die Anzahl von fehlerhaften Zählungen. Dennoch hat auch diese Art der Inventurvereinfachung einige Schwächen. Es entstehen hohe organisatorische Anforderungen, um die fehlerhafte Bestandsfortschreibung sicherzustellen. Kosten- und Personalaufwand bleiben bestehen: Der Zählaufwand wird lediglich über das Jahr verteilt. Die Zählungen können zusätzlich das Tagesgeschäft beeinträchtigen. Darüber hinaus muss das Unternehmen Wirtschaftsprüfern unterjährige Kontrollen der Inventurzählungen erlauben. Diese müssen die Vorgaben einer ordnungsgemäßen Inventurdurchführung erfüllen.
Die Stichprobeninventur ist das einzige Inventurvereinfachungsverfahren, bei dem nicht der komplette Warenbestand gezählt werden muss, sondern nur ein kleiner, stichprobenartig ausgewählter Teil. Dazu werden gesetzlich anerkannte mathematisch-statistische Methoden eingesetzt, mit deren Hilfe die Informationsqualität der Bestandsdaten aus dem bestandsführenden Warenwirtschafts-, ERP- oder Lagerverwaltungssystem gemessen und eine Aussage über deren Zuverlässigkeit getroffen wird. Ziel ist es, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass die Bestandsqualität so genau ist, dass aus einer Vollinventur keine genaueren Informationen über das zu bilanzierende Umlaufvermögen hervorgehen. Damit ist es dem Betrieb gesetzlich erlaubt, das entsprechende System für Stichprobeninventuren zu verwenden.
Der Zählaufwand lässt sich mit der Stichprobeninventur durchschnittlich um 95 % reduzieren. Das zeigen branchenunabhängig Praxisbeispiele von zahlreichen Unternehmen unterschiedlichster Größe. Mit dem Zählvolumen sinken auch der Personalbedarf und der Zeitdruck. In der Regel kann die Stichprobeninventur mit der Stammbelegschaft aus der Logistik durchgeführt werden. Das sorgt dafür, dass die Fehlerquote weiter minimiert wird. Der unkomplizierte Ablauf verhindert zudem Produktionsschließungen und erleichtert die Planung der Inventur.
Sowohl die vor- und nachverlegte Vollinventur als auch die permanente Vollinventur können Unternehmen dabei helfen, die Inventur zu vereinfachen. Bei beiden Verfahren bleibt der Zählaufwand jedoch identisch mit der Vollinventur zum Bilanzstichtag – der gesamte Warenbestand muss gezählt werden. Bei der Stichprobeninventur muss nicht der komplette Warenbestand gezählt werden. Insgesamt lassen sich der Zählaufwand und damit auch der Personalbedarf, der Zeitdruck und die Kosten für die Inventur damit drastisch verringern. Viele Unternehmen haben bei der Gestaltung ihres Inventurprozesses noch erhebliches Optimierungspotenzial. Empfehlenswert ist es, sich bereits frühzeitig mit der Vereinfachung der Inventur zu beschäftigen. Denn eines ist sicher: Die nächste Inventur kommt schneller als vielen Unternehmen lieb ist.
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