Das Thema Nachhaltigkeit bestimmt seit Jahren die öffentliche Diskussion - auch in Bezug auf das Supply Chain Management von Unternehmen. Was geschieht in der eigenen Lieferkette, welche Produzenten und Lieferanten sind beteiligt und, wo und unter welche Bedingungen wird produziert? Diese Fragen sind immer bedeutsamer geworden. Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler und weitere Beteiligte diskutieren aber nicht nur über Nachhaltigkeit, sondern haben die Diskussion auf die Corporate Social Responsibility ausgeweitet. Dabei wird nicht nur darüber debattiert, wie die unternehmerische Verantwortungsübernahme zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen kann, sondern wie diese auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen steigern kann. Doch was versteht man unter Corporate Social Responsibility und wie wirkt sich dieses Thema auf das Supply Chain Management und die Lieferkette aus?
Der Begriff Corporate Social Responsibility, meist abgekürzt zu CSR, ist nicht einheitlich definiert. Das Referat "CSR" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales definiert CSR als "die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens". Die Verantwortung umfasst soziale, ökonomische und ökologischen Auswirkungen und Verantwortungen und zwar nicht nur vor Ort, sondern vor allem entlang der gesamten Lieferkette. CSR basiert darüber hinaus auf einem zusätzlichen freiwilligen Beitrag zu einer sozialen und nachhaltigen Entwicklung. Bei seiner Definition bezieht sich das Referat "CSR" auf verschiedene internationale Referenzdokumente wie die ILO-Grundsatzerklärung über Unternehmen und Sozialpolitik sowie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrecht, den UN Global Compact und die DIN ISO 26000 "Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen". Diese internationalen Referenzdokumente umfassen unter anderem faire Geschäftspraktiken, mitarbeiterorientiere Personalpolitik, den sparsamen Einsatz von natürlichen Ressourcen, den Schutz von Klima und Umwelt sowie soziales Engagement vor Ort.
Eines der bekanntesten Modelle für die Erklärung von CSR ist die Vier-Stufen-Pyramide nach Archie B. Carroll. Carroll teilt die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in vier Ebenen auf:
Da der Begriff "Social" in Deutschland hauptsächlich mit sozialem Engagement verknüpft wird, verwenden viele Unternehmen den Begriff Corporate Responsibility als Synonym um den umfassenderen Einfluss von CSR mit einzuschließen.
Ein zentrales Instrument des CSR auf politisch und rechtliche Ebene ist das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) sowie das europäische Lieferkettengesetz, genannt Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die Mitte März vom europäischen Parlament verabschiedet wurde. Die Ziele des LkSG sowie der CSDDD sind die Stärkung der Menschenrechte und des Umweltschutzes.
Derzeit gilt das deutsche Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten mit Sitz in Deutschland. Dies wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren aufgrund des europäische Lieferkettengesetz (CSDDD) erweitert. So ist die CSDDD ab 2029 nicht nur für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten mit Sitz in der EU gültig, sondern auch für Unternehmen mit mehr als 450 Mio. € Umsatz. Darüber hinaus hat das europäische Lieferkettengesetz deutlich strengere Anforderungen an Unternehmen. So zielt das Lieferkettengesetzt der EU darauf ab, Vertrieb, Transport, und Lagerung des Produkts bei direkter Ausführung für das verpflichtete Unternehmen zu erfassen. Im LkSG ist nur der direkte Zulieferer betroffen.
Zusammengefasst beinhalten beide Lieferkettengesetzte folgende umweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten:
Aufgrund der Digitalisierung und der Globalisierung der Lieferketten setzen sich Unternehmen zunehmend mit CSR auseinander. Es gibt verschiedenste Strategien, CSR in das Unternehmen und die Lieferkette zu integrieren. Allgemein lässt sich sagen, dass CSR nicht nur punktuell oder durch einzelne Aktivitäten im Unternehmen auftauchen sollte, sondern im Kerngeschäft integriert werden muss, um glaubwürdig zu sein. Hierzu müssen Unternehmen einer CSR-Strategie entwickeln, die nicht nur ökonomische und ökologische Aspekte umfassen, sondern auch die soziale Verantwortung des Unternehmens in den Fokus stellen.
Nicht nur Verbraucher, sondern auch Investoren und einkaufende Unternehmen wollen wissen, unter welchen Arbeitsbedingungen und mit welchen Auswirkungen auf die Umwelt Rohstoffe gewonnen, Produkte hergestellt und in den Verkauf gebracht werden. Auch wenn es auf den ersten Blick vermuten lässt, dass eine nachhaltige Lieferkette nicht profitabel sein könnte, bietet die Gestaltung einer nachhaltigen Lieferkette vielen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Eine verantwortungsvolle Ressourcengewinnung und Produktion können Rohstoffrisiken reduzieren, während gleichzeitig eine verlässliche Versorgung durch Lieferanten sichergestellt werden kann. Auch bei Themen wie Reputation und Arbeitgeberattraktivität kann nachhaltiges Handeln dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile einbringen. Der Umsatz kann ebenfalls von einer verantwortungsbewussten Beschaffung profitieren.
Ein Beispiel für die nachhaltige Gestaltung der Lieferkette ist "Green Logistics". Green Logistics beschreibt unternehmerische Maßnahmen, die logistische Prozesse umweltschonender und nachhaltiger machen können. Zu solchen Maßnahmen können beispielsweise eine Flotte mit Elektro-LKW, ökologische Verpackungen sowie Routen-Optimierung, mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß zu verringern, zählen.
Vor allem in der Mode hat die Diskussion um nachhaltige und menschenrechtskonforme Produktion und Lieferketten erheblichen Einfluss gehabt. So gerieten Labels wie Temu, Shein, Primark und H&M als "Fast Fashion" Unternehmen unter Beschuss. Ein Wendepunkt für die Einführung von CSR-Maßnahmen in der Mode-Industrie stellte das Einstürzen der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 dar. Dieses Unglück rückte die sozialen und ökologischen Missstände in der Mode Branche in den Fokus. Seitdem haben verschieden Arbeitsgruppen Standards, wie die ILO-Grundsatzerklärung über Unternehmen und Sozialpolitik entwickelt. In der Modebranche betrifft das unter anderem Themen wie:
Diversität und kulturelle Vielfalt sind ein möglicher Ansatz, um den sozialen Aspekt des CSR in das Unternehmen zu integrieren. Dabei müssen die Bemühungen über die gesetzlichen Vorschriften, in Deutschland ist hier vor allem das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) zu nennen, hinausgehen. Diversitätsmanagement ist ein strategischer Ansatz zur aktiven Förderung der Vielfalt und zur Schaffung einer inklusiven Arbeitsumgebung. Dazu zählen nicht nur die Einbindung des gesamten Unternehmens sowie eine umfassende Diversitätsstrategie, sondern auch Maßnahmen wie vielfältige Einstellungsverfahren, Karriereentwicklung, inklusive Kultur, Transparenz und Berichterstattung.
Diversität bietet Unternehmen viele Vorteile, wie zum Beispiel Innovationskraft, bessere Entscheidungsfindung, Kundenorientierung, Talentanwerbung und -bindung, verbesserte Arbeitsplatzkultur sowie langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Neben dem Diversitätsmanagement gibt es auch noch die Ansätze der kulturellen Vielfalt und das "Base of the Pyramid" Konzept:
Die Zusammenarbeit mit Stakeholdern, vor allem gemeinnützige Organisationen (NGOs), kann für Unternehmen bei der Umsetzung von sozialen Aspekten von Hilfe sein. Außerdem können die bereits getroffen Maßnahmen durch Gütesiegel, wie der Blaue Engel, FSC oder MSC, und Umwelt- und Sozialstandards, wie z.B. die EMAS-Verordnung oder die ISO-Norm 26000.
An dem Konzept Corporate Social Responsibility wird auch teilweise scharfe Kritik geübt. Eine bedeutende Kritik ist, dass es keine einheitliche oder gesetzliche Definition von CSR gibt. So wird CSR zur Auslegungssache eines jeden Unternehmens. Manche Unternehmen fokussieren sich lediglich auf nachhaltige Maßnahmen und lassen soziale Verantwortung außen vor, während andere ihren Fokus nur auf soziale Maßnahmen und Projekte legen. Außerdem sei CSR wegen der mangelnden gesetzlichen Regelung unverbindlich und enthalte keine konkreten Maßnahmen, weshalb sich viele Unternehmen nicht in der Pflicht sehen, CSR umzusetzen. Zwar schaffen Gesetze, wie das Lieferkettengesetz, Abhilfe, aber auch diese Gesetze geben lediglich einen Rahmen vor, in dem sich Unternehmen frei bewegen können.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass viele Unternehmen CSR nutzen, um ihr Image aufzubessern. Solche Unternehmen würden sich Corporate Social Responsibility zwar auf die Fahne schreiben, aber nicht in ihrem Kerngeschäft umsetzen. Dieser Versuch, Verkäufe durch den Nutzen nachhaltiger oder soziale Label anzukurbeln, wird auch als "Greenwashing" bezeichnet.
Ein letzter Kritikpunkt ist, dass die Freiwilligkeit, die Corporate Social Responsibility zugrunde liegt, nur dafür gedacht sei, Gesetze und harte Standards zu verhindern. So kosten die Umsetzung von Gesetzen meist mehr als die Beseitigung von Pannen oder Unfällen.
Die Rolle, die Corporate Social Responsibility für die Strategie eines Unternehmens und die Lieferkette spielt, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit, aber auch soziales Engagement haben in der Wirtschaft immer mehr Bedeutung gewonnen. Dies spiegelt sich unter anderem in Gesetzten, wie dem deutschen und dem europäischen Lieferkettengesetz, wider. Weitere gesetzliche Schritte, die Einfluss auf die Lieferkette haben, ist beispielsweise die neue Verpackungsrichtlinie der EU, die voraussichtlich Anfang kommenden Jahres verabschiedet wird. Aber CSR geht über die gesetzlich vorgeschriebenen Aspekte hinaus. Freiwilliges Engagement in allen Verantwortungsbereichen sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit allen Ressourcen sind die Grundlage für CSR. Dabei gibt es keinen mustergültigen Plan, sondern jedes Unternehmen muss CSR auf seine Weise in seine Unternehmensstrategie und sein Kerngeschäft integrieren.
Sie wollen CSR stärker in ihr Supply Chain Management und in ihrer Lieferantenmanagement integrieren? Wir helfen Ihnen gerne weiter!