Digitalisierung im Einzelhandel
Die Digitalisierung ist der bestimmende Trend im Einzelhandel, der durch die Corona-Krise deutlich stärker in den Fokus gerückt ist, denn viele stationäre Händler mussten schmerzlich erkennen, wie handlungsunfähig sie während des Lockdowns aufgrund fehlender Online-Kanäle und wie planlos sie wegen nicht vorhandener digitaler Strategien waren.
Während ein Großteil der Einzelhändler den strukturellen Wandel inzwischen zu akzeptieren scheint, müssen viele von ihnen beim Thema Digitalisierung noch aufholen. Es gilt, Kunden einen Mehrwert zu bieten, etwa indem der Einkauf im Ladengeschäft schneller, einfacher, bequemer oder auch ereignisreicher wird. Das gelingt etwa über die clevere Verknüpfung des stationären Geschäfts mit dem E-Commerce. Oder über innovative Technologien wie Augmented Reality, digitale Regalverlängerungen, die kreative Nutzung von Social Media, mobile Checkout-Lösungen oder über durch Tablets vernetztes Verkaufspersonal, das Informationen in Echtzeit liefern kann.
Wie genau die Digitalisierung gestaltet wird, wird sich je nach Branche und Unternehmen unterscheiden – die Möglichkeiten sind jedenfalls vielfältig und in den kommenden Jahren dürften weitere vielversprechende Innovationen hinzukommen.
Ideen für die Digitalisierung des Einzelhandels
Omnichannel-Services
Innovative Technologien
Mobiler Check-Out
Kreative Nutzung von Social Media
Digitale Transformation des stationären Handels ist Chance und Herausforderung
Wie eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom 2021 herausgefunden hat, hat für fast alle der befragten Unternehmen die Digitalisierung durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen (91 %); ein Großteil (71 %) sieht die Einführung digitaler Lösungen inzwischen sogar als Vorteil. Eine Strategie zur Bewältigung des digitalen Wandels verfolgen 79 %, das sind jedoch nur etwas mehr als noch 2019 (70 %). Allerdings planen weitere 12 %, eine Digitalstrategie einzuführen. Generell sieht sich ein Großteil (73 %) allerdings als Nachzügler in Sachen Digitalisierung.
Während Änderungen Bereiche wie das Produktportfolio und sogar ganze Geschäftsmodelle (35 %) betrafen, scheint es an echtem Weitblick allerdings zu mangeln, denn nur 2 % der befragten Unternehmen will künftig jährlich in die Digitalisierung investieren.
Dabei ist die Digitalisierung ein anhaltender Prozess. Für Handelsunternehmen ist es essenziell, mit den digitalen Entwicklungen Schritt zu halten und auf Veränderungen flexibel zu reagieren. Stellschrauben gibt es viele: Omnichannel-Services, Checkout- und Payment-Prozesse, Social Commerce, Augmented Reality oder vielleicht bald das Metaverse. Wo die Entwicklungen in den nächsten Jahren hingehen, ist nicht zwingend absehbar. Umso wichtiger ist es aber, sich auf Innovationen vorzubereiten und Investitionen einzuplanen.
Moderne Konsumenten fordern neue Handelsformate
Die Digitalisierung hat in alle Lebensbereiche Einzug gehalten. Das hat auch klar die Erwartungshaltung von Konsumenten an den Einkauf, Service und die Kommunikation geändert.
Kunden heute, allen voran die digital versierten Millenials und die Generation Z, fordern ein perfektes Einkaufserlebnis – ein Omnichannel-Einkaufserlebnis. Dazu gehören zum Beispiel die Möglichkeit, jederzeit ohne Informations- oder Datenverlust flexibel zwischen Kanälen und Touchpoints zu wechseln, eine professionelle und zuvorkommende Beratung, personalisierte Angebote, ein bequemer und schneller Checkout, das Shoppen zu jeder Zeit und auf jedem Gerät oder auch die Option, mal ausgiebig zu bummeln und sich inspirieren zu lassen, mal auch gezielt und schnell etwas im Laden abzuholen.
Klassische stationäre Handelsformate sind dagegen nicht auf die Erwartungen und Bedürfnisse moderner Kunden ausgerichtet und haben ausgedient. An Einsicht scheint es seitens der Händler nicht zu mangeln, wie die Bitkom-Studie „Digitalisierung des Handels“ (2019) belegt. Darin geben 73 Prozent der Unternehmen an, sich beim Thema Digitalisierung eher als Nachzügler zu sehen. Zugleich sehen 72 Prozent die Digitalisierung als Chance.
Connected Commerce: Verzahnung der Verkaufskanäle
Was versteht man überhaupt unter der Digitalisierung des Einzelhandels? Braucht es nun zwingend in jedem Laden smarte Spiegel, Virtual Reality und Verkaufsroboter? Tatsächlich sind die Kundenwünsche weniger High-Tech-getrieben, als vermutliche viele Händler denken. Und das Ladengeschäft an sich ist weitaus beliebter und relevanter, als die Prognosen zu aussterbenden Innenstädten mitunter vermuten lassen – insbesondere auch bei der Generation Z, wie PwC im dritten Teil seiner „Europe Consumer Insights Series“ gezeigt hat.
Die Vorteile von stationären Geschäften liegen auf der Hand: Sie bieten ein haptisches Erlebnis, die Kunden können Ware ausprobieren und anprobieren und sofort mitnehmen; sie werden dadurch mit dem Gefühl der „Instant Gratification“ belohnt. Zudem schätzen Kunden den sozialen Kontakt und eine professionelle Beratung. Diese Vorteile müssen nun mit den Vorzügen digitaler Technologien gekoppelt werden, um den Kunden ein Omnichannel-Erlebnis zu bieten und stationäre Läden ins 21. Jahrhundert zu holen.
Kunden wollen ein solches kanalübergeifendes Einkaufserlebnis. Der Adyen Global Retail Report 2022 hat ermittelt, welche Omnichannel-Services bei Kunden Pluspunkte bringen würden: 61 Prozent wären einem Unternehmen loyaler gegenüber, das ermöglicht, online gekaufte Ware im Laden zurückzugeben. Bei 64 Prozent wäre das der Fall wenn sie Produkte im Geschäft bestellen und sich nach Hause liefern lassen könnten. Und für 55 Prozent würde bereits ausreichen, wenn der Händler online und stationär vertreten wäre.
Vorteile stationärer Geschäfte
Ware kann ausprobiert werden
Ware steht sofort zur Verfügung
Professionelle Beratung und soziale Kontakte
Sensorisches Rundum-Erlebnis
Der ROPO-Effekt im Handel
Der Großteil der Produktsuchen beginnt heute online, denn dort gibt es Produktinformationen, Preise und Empfehlungen zu Alternativen oder passenden Produkten bequem auf einen Blick. Wenn danach stationär gekauft wird, spricht man vom ROPO-Effekt (Research Online, Purchase Offline) – online recherchieren, offline kaufen. Nach Zahlen des Handbuchs für den stationären Handel des Handelsverbands Bayern geht 61,3 Prozent des Umsatzes im stationären Non-Food-Handel eine Onlinerecherche voraus. Das entspricht rund 120 Milliarden Euro.
Das Gegenstück zu ROPO ist das Showrooming: Kunden lassen sich im Laden beraten, um im Anschluss das Produkt online, meist günstiger, zu kaufen. Wie das Handelsbuch belegt, wird das allerdings viel seltener gemacht – nur 12 Prozent des Umsatzes in Onlineshops geht die Informationssuche im stationären Geschäft voraus.
Die Zahlen zum ROPO-Effekt zeigen einmal mehr, wie wichtig die Online-Sichtbarkeit stationärer Einzelhändler ist. Handelsunternehmen müssen heutzutage zum Kunden kommen, und zwar vor allem über die digitalen Kanäle. Deutlich wird auch, dass die Online-Kanäle die Offline-Einkaufswelt nicht ersetzen, sondern ergänzen. In der cleveren Verknüpfung liegen also Chancen für den stationären Einzelhandel. Konkret lässt sich das mit speziellen Services umsetzen: Online-Warenverfügbarkeitsanzeigen zum Beispiel geben Kunden Aufschluss darüber, ob ihr gewünschtes Produkt vor Ort vorrätig ist. Mit Click & Collect oder Click & Reserve können Kunden ihr Produkt online bestellen und bezahlen beziehungsweise reservieren und in der Filiale abholen. Auch die Social-Media-Kanäle können gut genutzt werden, denn über Instagram lassen sich die Produkte schön in Szene setzen.
POS-Marketing: Personalisierung durch Digitalisierung
Daten sind im Connected Commerce von zentraler Bedeutung, denn nur auf Basis umfassender Informationen zu ihren Kunden können Händler deren Interessen, Wünsche und Bedürfnisse verstehen und diese nutzen, um eine individuelle Customer Journey zu gestalten. Während personalisierte Angebote im Onlinehandel längst Standard sind, hinkt der stationäre Handel noch hinterher. Dabei zeigen sich Kunden bereit, ihre Daten preiszugeben, wenn sie dafür eine Gegenleistung erhalten, zum Beispiel personalisierte Angebote. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom wünschen sich 30 Prozent der Befragten individuelle Angebote auf das Smartphone, während sie im Geschäft sind.
Das bedeutet einerseits, dass Händler die bereits aus der Online-Welt vorhandenen Daten nutzen sollten, um ihre Kunden im Laden zu identifizieren und personalisierte Marketingmaßnahmen gezielt auszuspielen, etwa über einen persönlichen Rabattcode oder eine App auf dem Smartphone. Andererseits können Händler auch direkt im Laden Daten erheben. Das geht zum Beispiel durch die Integration zusätzlicher Services rund um das Payment, darunter Loyalty-Programme, Newsletter oder eine digitale Kundenkarte. Vor Ort lassen sich auch Beacons einsetzen, um Besucher vor dem Geschäft zu orten und anzusprechen. Im Laden funktioniert das auch über Bluetooth und W-Lan.
Auch Technologien wie RFID-Chips in Kleidungsstücken liefern Daten und können zum Beispiel für das Cross-Selling genutzt werden, etwas, das im Onlineshop bereits gang und gäbe ist — „dazu passt“ oder „Kunden kauften auch“ sind nützliche Tools, um Kunden weitere Produkte schmackhaft zu machen. Ausspielen lassen sich solche Empfehlungen im Ladengeschäft etwa über smarte Spiegel in der Umkleidekabine oder Digital Signage. Auch die Kombination mit Rabattangeboten ist möglich.
Im stationären Geschäft lassen sich außerdem über Sensoren anonymisiert Bewegungsprofile erstellen. Aus diesen lässt sich wiederum ablesen, wo sich Kunden im Laden aufhalten und wo gerade nicht. Welches Regal zieht die meiste Aufmerksamkeit auf sich? Wie viele Kunden brechen den Kauf ab, weil sie zu lange in der Warteschlange ausharren mussten? Wer Antworten auf solche Fragen liefern kann, hat gute Ansatzpunkte, um den Laden zu optimieren.
Digitale Technologien im stationären Einzelhandel
Reibungsloser Checkout maßgebend
Der Adyen Global Retail Report zeigt, dass Warteschlangen eines der größten Kundenärgernisse sind. 70 Prozent haben den Laden schon einmal verlassen, ohne etwas zu kaufen, weil die Schlangen zu lang waren. So entgehen dem Handel weltweit Einkäufe im Wert von 322 Milliarden Euro. POS-Lösungen, die die Wartezeit verkürzen, können die Verkaufsprozesse effizienter machen, Verkäufe sichern und zudem zur Kundenzufriedenheit beitragen. Denn 90 Prozent der Kunden zeigen sich ziemlich bis sehr zufrieden, wenn es nur kurze oder keine Warteschlangen gibt.
Self-Checkout-Lösungen fördern einen schnellen Bezahlprozess. Die Kundenakzeptanz solcher Lösungen wächst, vor allem die jüngeren Konsumenten sind für neue Technologien am POS offen. Wie die EHI-Studie „POS-Systeme 2020“ zeigt, interessieren sich auch mehr und mehr Händler für Self-Checkout-Lösungen. Demnach sehen 45 Prozent der Händler Handlungsbedarf beim Einsatz solcher Anwendungen. Zu Self-Checkout-Systemen gehören sowohl stationäre Selbstbedienungskassen (SB-Kassen) als auch mobile Lösungen.
Kassenzonen mit Self-Checkout-Kassen
Selbstbedienungskassen (SB-Kassen) sind stationäre Kassen, an denen die Kunden ihre Produkte selbst scannen und bargeldlos bezahlen. Meist steht ein Mitarbeiter bereit, um bei Fragen und Problemen zu helfen. SB-Kassen benötigen im Laden weniger Platz als solche mit Kassierer, das heißt, es können mehrere Terminals aufgestellt und dadurch eine größere Zahl an Kaufprozessen abgeschlossen werden. Warteschlangen verkürzen sich dadurch erheblich oder bilden sich erst gar nicht. Zudem sparen Händler mit SB-Kassen Personalkosten.
Self-Checkout mit dem eigenen Smartphone
Ganz ohne Kassenhardware funktionieren Self-Checkout-Lösungen via Smartphone. Solche mobilen Self-Scanning-Lösungen, also Geräte, mit denen Kunden ihre Ware selbst scannen, seien es markteigene Scanner oder das eigene Smartphone, gibt es noch sehr viel seltener als SB-Kassen. Laut EHI-Studie hat sich die Zahl seit 2015 aber fast vervierfacht und Self-Scanning wird inzwischen in 96 Märkten angeboten. Der Durchbruch solcher Lösungen dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, schließlich ist das Smartphone ohnehin schon ständiger Begleiter und beliebter Shoppingpartner. Die Nutzung des eigenen Smartphones für die Bezahlung im Laden fügt sich ganz natürlich in den Einkaufsprozess. Über die App scannen Kunden ihre Produkte, bezahlen über ihr favorisiertes Bezahlverfahren und verlassen den Laden – komplett ohne Wartezeit.
Mobile Verkaufshilfe
Digital Signage im Ladengeschäft
Digital Signage ist vielfältig einsetzbar, um das Einkaufserlebnis zu verbessern. Wichtig bei der Wahl des passenden Formates ist: Es muss für den Kunden einen Mehrwert bieten – entweder, indem es zum Beispiel als Instore-TV die Markenbotschaft transportiert, Echtzeitdaten über Bestände liefert, Angebote oder Events ankündigt oder durch den Laden navigiert.
Händler sollten vorab also gut überlegen, welchen Content sie über die Bildschirme zugänglich machen beziehungsweise ausspielen und was sie damit erreichen wollen. Zu den Digital-Signage-Lösungen gehören zum Beispiel:
- Guidance-Systeme für die Wege- und Besucherführung.
- Kiosksysteme als Selbstbedienungsterminals. Dazu gehören neben SB-Kassen auch Displays, über die die Kunden Produktinformationen aufrufen können, sowie solche, die der digitalen Regalverlängerung dienen. Auch Smart-Mirror-Lösungen sind Kiosksysteme.
- Produktfinder und -konfiguratoren für die gezielte Suche bzw. Zusammenstellung des Wunschprodukts.
- Ambience-Systeme für mehr Atmosphäre zahlen in die Markenbildung ein. Häufig handelt es sich dabei um große Leinwände, die sich in das Ladendesign einfügen und stimmungsvolle Videos zeigen.
Digitalisierung von Geschäfts- und Filialprozessen
Mobile Endgeräte vereinfachen auch die Wareneingänge, denn das Verkaufspersonal kann damit direkt die Lieferscheinnummer erfassen, den Lieferanten auswählen und Barcodes und Mengen erfassen. Auch Umlagerungen, Bestellungen und Preisänderungen werden dadurch vereinfacht und beschleunigt. Das Personal spart Zeit und kann sich auf Beratungsgespräche konzentrieren.
Ebenso unterstützen mobile Endgeräte in der früher oftmals kostenintensiven und zeitaufwendigen Inventur. Die REMIRA INSTORE App etwa läuft auf Tablets und Smartphones. Zusätzliche Scanner werden damit obsolet. Über die Kamerafunktion können die Mitarbeiter ganz einfach die Barcodes scannen; sämtliche Daten werden anschließend an das Backend weitergegeben.